Assistenzhunde

Mit dem Hund kommen Sie hier nicht rein

Mit dem Hund kommen Sie hier nicht rein

Hintergrund Haustüreingang, links Jennifer mit rotweissem Stoch und schwarzen Führhund Namens Paul
Jennifer Sonntag mit Führhund Paul – ©-Foto-Privat

Halle (kobinet) Die Inklusionsbotschafterin und Blindenführhundhalterin Jennifer Sonntag begrüßt die Kampagne „Assistenzhund Willkommen“, auf die kobinet-nachrichten vor kurzem aufmerksam gemacht haben. Die Kampagne und der Satz „Mit dem Hund kommen Sie hier nicht rein“, den Jennifer Sonntag immer wieder zu hören bekommt, hat sie veranlasst folgenden Bericht für die kobinet-nachrichten über ihre eigenen Erfahrungen mit ihrem Helfer auf vier Pfoten zu verfassen. Zudem hat Jennifer Sonntag drei Sommerwünsche.

Bericht von Jennifer Sonntag

War ich in meinem ersten Jahr mit Blindenführhund noch guter Dinge und ohne schlechte Erfahrungen, was das Willkommen meines Helfers auf vier Pfoten betraf, häufen sich mit zunehmender Gespannarbeit leider auch bei uns die Erfahrungen des untersagten Zutritts. So stand auch am Ende eines sommerlichen Tagesausfluges ein ärgerliches Erlebnis. Führhund Paul durfte kürzlich trotz deutlicher Kennzeichnung nicht in die Hallesche Parkbahn, es sei denn, ich würde ihm einen Maulkorb anlegen. „Ende der Diskussion“, hieß es am Fahrkartenstand. Dabei wollte ich wenigstens im Urlaub mal nicht über Teilhabe, Inklusion und Barrierefreiheit nachdenken und über Menschen, die darüber noch nicht mal in Austausch kommen wollen.

Um uns herum waren entspannte Kinder, die sich mir und dem Hund gegenüber sehr interessiert zeigten und höflich fragten, ob er gestreichelt werden dürfe. Vermutlich hätten wir eine angenehme Fahrt mit neugierigen Kids an unserer Seite genossen, die mich über mich und Pauls Arbeit als Blindenführhund ausgefragt hätten. Ein Mehrwert und ein schönes Erlebnis für alle. Ich trat jedoch unverrichteter Dinge und mit einem Kloß im Hals die Rücktour an und auf das geplante Urlaubsessen hatte nun auch keiner mehr Appetit. Für einen Menschen mit Behinderung kann ein Tagesausflug sehr viel Organisation und Planung bedeuten und es ist doch schmerzlich, wie ein Mitmensch an entscheidender Stelle mit einem einzigen Satz dann Teilhabe und Selbstbestimmung verhindern kann.

Das ist natürlich nur ein kleines Beispiel und egal ob Buchmesse oder Lieblingsbäcker, die Aussage: „Mit dem Hund kommen Sie hier nicht rein!“ traf mich in den unterschiedlichsten Situationen schon sehr hart und erforderte behindertenpolitische Auseinandersetzung, wofür man dann erneut Energie und planvolles Vorgehen braucht. Umso positiver, wenn durch diese Sensibilisierungsarbeit im Nachhinein der nächste Assistenzhund nicht draußen bleiben muss.

Drei Sommer-Wünsche haben Paul und ich noch an unsere Mitmenschen:

Der Sommer lädt viele von uns zum Grillen und Feiern an der frischen Luft ein. Leider bedeutet das auch, dass viele Parks nach dem Gelage vor lauter Glasscherben glitzern. Das birgt eine große Gefahr für die Pfoten des Blindenführhundes. Paul musste schon mehrere Spritzen wegen einer infizierten Wunde durch solche Unachtsamkeiten über sich ergehen lassen und war in dieser Zeit natürlich nicht arbeitsfähig.

Was uns außerdem regelmäßig in Gefahr bringt, sind auf dem Gehweg parkende Fahrzeuge. Wirklich eine Unart! Wir müssen als Führgespann auf die Fahrbahn ausweichen, da der Fußweg für uns somit nicht begehbar ist. Sicher ist der Parkplatzmangel ein Problem und es ist verführerisch, sich dann mal eben auf den Gehweg zu stellen. Aber Paul und ich haben eben auch nichts auf der Fahrbahn zu suchen.

Durch die heißen Temperaturen lassen viele Autofahrer auch gern ihr Fahrzeug im parkenden Zustand brummen und grummeln, da sie auf diese Weise von ihrer Klimaanlage profitieren können. So sitzen sie dann im geräuschvollen Wagen und warten auf Frau oder Kind, während der blinde Verkehrsteilnehmer denkt: „Fahrzeuggeräusch gleich Stehenbleiben!“. Wer parkt, sollte sein Fahrzeug stumm schalten. Was stand ich da schon mit dem schwarzen Paul in der prallen Sonne und fragte mich, wann das Auto denn nun endlich losfährt. Außerdem übertönen solche „Lärmsteher“ auch andere Geräusche, die wir hören müssen, wenn wir eine Straße überqueren wollen. Wir blinden Menschen orientieren uns im Straßenverkehr zu einem hohen Maße an Fahrzeuggeräuschen. Wenn wir ein Auto hören, gehen wir also auch davon aus, dass es fährt oder sich in Bewegung setzt.

Vielen Dank für mehr Rücksichtnahme und Verständnis auch an heißen Tagen, an denen ich froh bin, mit dem hechelnden Hund nicht noch diese zusätzlichen Hindernisse einplanen zu müssen. In diesem Sinne noch einen schönen Sommer auf zwei und vier Pfoten.

Link zum Bericht über Bemühungen für gesetzliche Regelungen zum Einsatz von Assistenzhunden

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