barrierefreie Stadt (Projekt) barrierefreier Verkehr

2024-01-24_RP_Wie Blindenschrift im Straßenpflaster

2024-01-24_RP_Wie Blindenschrift im Straßenpflaster

Was für die meisten Menschen einfach nur Bausteine im Straßenpflaster sind, führt Menschen mit einer Sehbehinderung sicher durch die Stadt. So funktioniert ein Bodenleitsystem.

VON ALEXANDER MROOS

LANGENFELD | Auf dem Bürgersteig an der Solinger Straße unmittelbar in der Nähe der Stadtgalerie befindet sich ein Stromkasten mitten auf dem Gehweg. Für die meisten Menschen ist das unproblematisch – sie würden das Hindernis sehen und einfach drumherum gehen. Doch für Menschen mit einer Sehbehinderung stellt ein solches Hindernis durchaus ein Problem dar. Denn: Der Stromkasten befindet sich nicht einfach nur auf dem Gehweg, sondern auf dem Leitstreifen des sogenannten Bodenleitsystems. Doch was hat es damit auf sich und wie funktionieren solche Leitliniensysteme eigentlich?

In gewisser Weise könne man sich ein solches System wie Blindenschrift vorstellen. „Es hilft Blinden und Sehbehinderten sich besser in ihrer Umgebung zu orientieren“, erklärt Susanne Winther vom Blinden- und Sehbehindertenverein Rhein-Wupper (BSVRW). „Mit unserem weißen Langstock versuchen wir die geribbelten Steine zu ertasten, zum Beispiel, um die Straße an einer bestimmten Stelle zu überqueren.“

Dabei hat jeder Stein eine andere Bedeutung. Die Beschaffenheit des Asphalts verrät Blinden und Menschen mit einer stark eingeschränkten Sicht nämlich, worauf sie achten müssen. So weisen die Bodenindikatoren längs verlegt als Richtungsfelder den Weg. Parallel verlegt deuten sie als Aufmerksamkeitsfelder in Form von Noppenplatten auf Verzweigungen und deutliche Richtungswechsel hin. Auf diese Weise können sie auch als Sperrfeld dienen und darauf hinweisen, dass die Straße an dieser Stelle nicht überquert werden kann.

Neben dem haptischen Kontrast, der durch die Bodenindikatoren erzeugt wird, müssen die Leitsysteme auch visuell auffallen. Durch kontrastreiche Farben, meist in weiß oder gelb, unterstützen sie auf diese Weise die Orientierung für Menschen, die in ihrer Sehkraft zwar eingeschränkt, aber nicht vollständig blind sind. „Für Sehbehinderte sind farbliche Unterschiede sehr wichtig“, stellt Susanne Winther klar.

Wie viele Menschen in Langenfeld auf ein solches Bodenleitsystem angewiesen sind, das lässt sich laut Susanne Winther nur schätzen. Sie geht von etwa 50 bis 100 Personen aus, die sich mithilfe des Systems regelmäßig durch die Stadt bewegen.

Für die Stadt wiederum ist es inzwischen bei Umbauten verpflichtend, diese barrierefrei zu gestalten. „Jeder soll die Möglichkeit haben am Verkehr auch teilzunehmen“, sagt Manuel Zagray vom Referat Umwelt, Verkehr und Tiefbau. Der barrierefreie Umbau von Bushaltestellen sei dabei der häufigste Fall, bei dem neue Bodenleitsysteme zum Einsatz kommen. So hat die Stadt Langenfeld laut Zagray in den Jahren 2022 und 2023 insgesamt 24 Bushaltestellen barrierefrei umgebaut. In diesem Jahr sollen zusätzlich 15 weitere Haltestellen im Stadtgebiet umgebaut werden.

Der barrierefreie Umbau müsse dabei so gestaltet werden, dass sich sowohl Menschen mit einer Sehbehinderung als auch Personen mit eingeschränkter Mobilität, wie zum Beispiel Rollstullfahrer dort problemlos bewegen können. „Das ganze Thema Barrierefreiheit ist für die Stadt schon eine gewisse Herausforderung“, sagt Zagray. Zum einen müssten die Bedürfnisse unterschiedlich eingeschränkter Personengruppen berücksichtigt werden, zum anderen gebe es keinen deutschlandweiten Leitfaden. In Langenfeld orientiere man sich deshalb an einem Leitfaden vom Landesbetrieb Straßenbau „Straßen.NRW“. Neben der Orientierung an dem Leitfaden, hole die Stadt bei der Planung auch die Betroffenen mit ins Boot, um deren Belange zu berücksichtigen. „Um Fördergelder für den barrierefreien Umbau zu erhalten, müsste man sich normalerweise mit der Behindertenvertretung abstimmen“, erklärt Zagray. Da es die in Langenfeld aber in dieser Form nicht gebe, stimme man sich mit Vereinen wie dem BSVRW ab. „Das sind natürlich alles nur Inselmaßnahmen. Da wo Bedarf ist, versuchen wir, das so schnell wie möglich umzusetzen“, sagt Manuel Zagray. Langfristig sei das Ziel, komplette Barrierefreiheit in der ganzen Stadt zu gewährleisten.

„Ich denke, hier in Langenfeld ist das Bodenleitsystem schon ganz gut ausgearbeitet“, sagt Susanne Winther vom BSVRW. Probleme sehe sie weniger im Bodenleitsystem denn an anderen Stellen. „Oft sind zum Beispiel Treppengeländer kürzer als die Treppe. Endet das Geländer, denkt man, dass auch die Treppe endet. Doch plötzlich kommen noch ein oder zwei Stufen“, schildert Winther. „Das kann sehr gefährlich werden. Das Treppengeländer sollte immer erst dann enden, wenn auch die Stufen zu Ende sind.“

Und grundsätzlich sei natürlich wichtig, darauf zu achten, dass das Leitsystem immer frei bleibt. So sollte beispielsweise niemand auf einer Leitlinie parken.

Und was den Stromkasten auf dem Leitstreifen an der Solinger Straße angeht: Hier hatte ein Sprecher der Stadt auf Nachfrage mitgeteilt, dass es sich lediglich um ein Provisorium für eine Baustelle handele und, dass dieser bald wieder abgebaut werden solle.

INFO

Die Aufgaben des BSVRW

Der Verein ist für alle Menschen da, die blind oder hochgradig sehbehindert sind. Hier wird Hilfe und Beratung zu verschiedenen Fragen, die mit der Behinderung zusammenhängen, geboten. Beispielsweise in Bezug auf Hilfsmittel oder bei Problemen mit Behörden.

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