§ 61 -BTHG-Bundesteilhabegesetzes - Budget für Arbeit Wekstätten

Aufklärung über Alternativen zur Werkstatt tut Not

2023-10-27_Aufklärung über Alternativen zur Werkstatt tut Not

Aufklärung über Alternativen zur Werkstatt tut Not

Nancy Frind
        Nancy Frind  Foto: privat

Erfurt (kobinet) Nancy Frind hat den Sprung aus der Werkstatt für behinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt mit Hilfe eines Budget für Arbeit geschafft. Vor kurzem hat die politisch sehr engagierte Frau einen Integrationsbetrieb in Weimar besucht. Wie Ihre Eindrücke waren und was ihr in Sachen Reform des Systems der Werkstätten für behinderte Menschen und bei der Nutzung des Budget für Arbeit als Alternative zur Werkstatt wichtig ist, darüber führte kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul mit ihr folgendes Interview.

kobinet-nachrichten: Sie haben nicht nur selbst den Sprung aus einer Werkstatt für behinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt durch die Nutzung eines Budget für Arbeit geschafft. Sie setzen sich auch dafür ein, dass mehr behinderten Menschen einen „normalen“ Job bekommen. Was tun Sie dafür?

Nancy Frind: Danke für Ihre Fragen. Als erstes muss ich Ihnen sagen, dass ich schmunzeln musste. Was ist schon ein „normaler“ Job? Das lass ich mal unbeantwortet. Wichtig ist mir, dass Menschen in den Werkstätten erst einmal wissen, dass sie noch viel mehr Chancen und Möglichkeiten haben, ausserhalb einer Werkstatt zu arbeiten. Ich sag mal nur das Stichwort Budget für Arbeit. Aber auch ihre Rechte als Beschäftigte in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) überhaupt zu kennen. Hier kläre ich auf. Und es ist mir ein persönliches Anliegen, da ich viele Jahre in einer WfbM gearbeitet habe und den Sprung hinaus schaffte. Ich arbeite aktuell über das Budget für Arbeit.

kobinet-nachrichten: Vor kurzem haben Sie einen Integrationsbetrieb in Weimar besucht. Was machen die und wie wie waren Ihre Eindrücke?

Nancy Frind: Ich war in einem Weimarer Cafe, das als Inklusionsbetrieb geführt ist. Hier arbeiten Menschen mit Behinderungen und sie erhalten ein ortsübliches Gehalt. Das finde ich sehr gut. Im Rahmen der Veranstaltung Schichtwechsel in Thüringen wurde auch dieses Cafe besucht. Mir gefällt der Schritt im Transformationsprozess für diese Menschen mit Behinderungen, raus aus der Werkstatt und von einer sehr schlecht bezahlten Arbeit einer WfbM hin zu einer Tätigkeit als Arbeitnehmer in einem Inklusionsunternehmen. Das ist für mich ein wichtiger Schritt.

kobinet-nachrichten: Derzeit wird intensiv über die Reform des Systems der Werkstätten für behinderte Menschen diskutiert. Wie nehmen Sie diese Diskussion wahr?

Nancy Frind: Ich wünsche mir vor allen Dingen viel, viel mehr Aufklärung. Diese Aufklärung darf nicht behindert werden. Alle Menschen in Werkstätten müssen Zugang zu diesen wichtigen Themen haben. Die Beschäftigten müssen frei entscheiden können – und sie dürfen nicht dabei behindert werden. Das kann auch dadurch geschehen, dass sie überhaupt nicht aufgeklärt werden. Und sie müssen ihre eigene Wahl mit diesen Informationen treffen können. Ob sie bleiben wollen oder ob sie aus einer Werkstatt gehen wollen. Mir gefällt es, wenn gesagt wird, dass die Werkstätten sich verändern müssen. Also hin zu Arbeitsmarkt verwertbaren Berufsabschlüssen und hin zu einer gerechten Bezahlung für Beschäftigte in den Werkstätten. Hier möchte ich für das Budget für Arbeit verweisen. Nur ca. 37 Personen nehmen beispielsweise das Budget für Arbeit in Thüringen wahr.

kobinet-nachrichten: Was wünschen Sie sich, damit mehr behinderte Menschen statt in einer Werkstatt für behinderte Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten können?

Nancy Frind: Ich wünsche mir, dass die Menschen in den Werkstätten unabhängige Informationen erhalten und sich selber vertreten können. Ich meine damit, dass Assistenz-Personen bitte nicht über uns hinweg sprechen oder nur ihre persönliche Meinung sagen. Sie können uns unterstützen, aber wir Menschen mit Behinderungen müssen uns selber eine Meinung bilden können und selber für uns verhandeln dürfen. Da muss Aufklärung her, wir wollen nicht bevormundet werden. „,REDET MIT UNS UND NICHT ÜBER UNS“.

kobinet-nachrichten: An der bisherigen Ausgestaltung des Budget für Arbeit gibt es sicherlich noch einigen Verbesserungsbedarf. Wie funktioniert das bei Ihnen?

Nancy Frind: Ich arbeite hier in Erfurt sehr gut mit dem Sozialamt zusammen. Da gibt es mittlerweile eine sehr gute Vertrauensbeziehung. Das geht deshalb so gut, weil die Menschen im Sozialamt akzeptieren, dass ich bitte nur für mich selber sprechen will und das nicht andere über mich sprechen oder entscheiden sollen. Ich bin sehr froh, dass wir auch darüber reden können, dass zum Beispiel das Budget für Arbeit jetzt viel länger bewilligt werden kann. Aber was mir Sorgen macht ist, dass es bis jetzt noch nicht geschafft wurde, für eine Assistenz für mich zu sorgen. Das ist aktuell sehr schwierig und gerade für mich als Mensch mit einer psychischen Beeinträchtigung gibt es hier sehr viele hohe Hürden.

kobinet-nachrichten: Vielen Dank für das Interview.

Infos zum SAMOCCA Café in Weimar

„WILLKOMMEN IM SAMOCCA-Weimar, dem ersten SAMOCCA-Café in Thüringen. Seit Mai 2023 sind wir für Sie da und laden herzlich ein: Gönnen Sie sich eine kleine Auszeit! Seien Sie unser Gast und lassen Sie sich unsere Speisen und Getränke, warm oder kalt, herzhaft oder süß schmecken“, heißt es auf der Internetseite des Cafés. Und weiter heißt es dort: „Das Besondere an SAMOCCA ist, dass dort im Sinne der beruflichen Rehabilitation und Inklusion attraktive Arbeitsplätze für Menschen mit und ohne Handicaps geschaffen werden. SAMOCCA ist ein Projekt der inclusio Weimar gGmbH und der Diakonie Landgut Holzdorf gGmbH in Zusammenarbeit mit der Klassikstiftung Weimar.“

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