Pflege

Forderungen nach Stärkung der Pflegefinanzierung

Forderungen nach Stärkung der Pflegefinanzierung

Veröffentlicht am  von Hartmut Smikac

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Bild: omp

Berlin (hib/kobinet) In einer Anhörung forderten Gesundheits- und Sozialexperten sowie die Arbeitgeberverbände fordern eine langfristige Finanzierungsstrategie für die Pflegeversicherung. Die von der Bundesregierung geplante neuerliche Beitragssatzerhöhung um 0,5 Prozentpunkte 2019 sei eine notwendige, aber kurzfristig wirkende Reaktion auf die wachsenden Leistungsausgaben, erklärten Experten anlässlich der Anhörung des Gesundheitsausschusses über den Gesetzentwurf zur Beitragssatzanpassung am Montag im Bundestag.

Die Sachverständigen äußerten sich in der Anhörung sowie in schriftlichen Stellungnahmen. Dem Gesetzentwurf zufolge soll der Beitragssatz von derzeit 2,55 Prozent (Kinderlose 2,80 Prozent) des Bruttoeinkommens auf 3,05 Prozent (Kinderlose 3,30 Prozent) angehoben werden. Bis 2022 sollen die Beiträge dann stabil bleiben. Nach Ansicht der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) ist die Beitragserhöhung dringend notwendig, um die Mehrausgaben, die sich aus dem erweiterten Kreis der Leistungsberechtigten ergäben, zu finanzieren. Das zusätzliche Finanzvolumen werde jedoch schon bald vollständig ausgeschöpft sein. Es fehle ein Gesamtkonzept zur Finanzierung der Pflege in einer älter werdenden Gesellschaft. Der Verband sprach sich dafür aus, die Beitragsbemessungsgrenze auf das Niveau dieser Grenze in der Rentenversicherung anzuheben und weitere Einkommensarten einzubeziehen. Zudem müsse die medizinische Behandlungspflege in vollstationären Pflegeeinrichtungen wieder komplett von der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) getragen werden. Perspektivisch sollte die Pflegeversicherung vom heutigen Teilleistungssystem so weiterentwickelt werden, dass eine bedarfsgerechte Versorgung ermöglicht werde.

Zu einem ähnlichen Schluss kommt der Sozialverband Deutschland (SoVD). Die Beitragserhöhung allein werde kaum zur Stabilisierung der Beiträge bis 2022 ausreichen, zumal eine regelmäßige Dynamisierung der Leistungen notwendig sei. Raum für die Finanzierung weiterer angekündigter Reformen bleibe danach nicht. Nach Ansicht des Sozialverbandes muss die Beitragsbemessung auf eine breitere Basis gestellt werden durch Einnahmen aus Vermietung, Verpachtung und Kapitaleinkünften sowie einer höheren Beitragsbemessungsgrenze. Überdies sollten versicherungsfremde Leistungen über Steuerzuschüsse finanziert werden.

Das sieht der GKV-Spitzenverband auch so und argumentiert, ein Bundeszuschuss könnte zu einer ausgewogenen Finanzierung der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe Pflege beitragen und die Beitragszahler entlasten. Die versicherungsfremden Leistungen in der Pflege erreichten 2018 bereits ein Volumen von mindestens 2,7 Milliarden Euro. Das entspreche 0,2 Beitragssatzpunkten. Es müsse daher hinterfragt werden, ob die Beitragserhöhung die einzige Option zur Finanzierung der Kostensteigerung sei. Hinsichtlich der weiteren Finanzentwicklung bestünden Unsicherheiten sowohl auf der Einnahmen- wie auf der Ausgabenseite. Es dürfe nicht zur Regel werden, den Pflegebeitragssatz in so kurzen Abständen anzuheben.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen forderte konkret, die Investitionskosten für Pflegeheime als Teil der Daseinsfürsorge durch Steuern zu finanzieren. Derzeit würden die Unterhaltung der Gebäude, Miete und Finanzierungskosten überwiegend von den Bewohnern getragen. Nur in Einzelfällen übernähmen die Länder die Investitionskosten, zu denen nicht die Kosten für Unterkunft und Verpflegung gezählt würden. Diese Kosten müssten die Betroffenen noch zusätzlich bezahlen.

Auch der Arbeitgeberverband BDA sieht die Notwendigkeit einer systematischen Änderung und warnte vor einer weiteren Erhöhung der Lohnnebenkosten. Ein Verbandssprecher rechnete in der Anhörung vor, jeder zusätzlich Prozentpunkt koste 90.000 Arbeitsplätze. Nötig seien nachhaltig wirkende Strukturreformen, vor allem die Abkopplung der Pflegefinanzierung vom Arbeitsverhältnis sowie ein Qualitäts- und Preiswettbewerb auf allen Ebenen. Denkbar wäre ein einkommensunabhängiger Zusatzbeitrag. Daneben sollte die kapitalgedeckte Risikovorsorge ausgebaut werden.

Mehrere Sachverständige sprachen sich in der Anhörung dafür aus, die private und gesetzliche Pflegeversicherung zu einer einheitlichen Pflegebürgerversicherung zusammenzuführen. Dies wäre nach Darstellung der Experten relativ einfach umsetzbar und käme den Versicherten insgesamt zugute. Allerdings warnte der Gesundheitsökonom Heinz Rothgang davor, die Beitragsbemessungsgrenze ganz aufheben. Dies wäre rechtlich problematisch.

In der Anhörung mitberaten wurde ein Antrag der Fraktion Die Linke, in dem diese fordert, die Pflegeversicherung auf eine nachhaltige und gerechte Finanzierungsgrundlage zu stellen und auf diese Weise weitere Beitragserhöhungen zu verhindern. Dazu sollte die Beitragsbemessungsgrenze in der Pflegeversicherung aufgehoben werden. Zudem sollten Kapitaleinkünfte in die Beitragsbemessung einbezogen werden. Noch in dieser Wahlperiode sollten nach den Vorstellungen der Antragsteller alle privat Pflegeversicherten in die soziale Pflegeversicherung wechseln.

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