Entlastungsbeitrag für Hilfe im Haushalt Pflege

Die Kasse zahlt fürs Putzen

Pflegebedürftigen stehen seit Januar 125 Euro Entlastungsbetrag für Hilfe im Haushalt zu. Doch viele nutzen das nicht.

Von Stephanie Wesely

Bei Ingeborg und Helmut Ramm in Chemnitz übernimmt der DRK-Pflegedienst Chemnitz regelmäßig Reinigungsarbeiten – zusätzlich zur Pflege, vom Entlastungsbetrag der Kasse. In Urlaubszeiten packt auch Chefin Claudia Liebing mit an. Die Ramms sind froh, dass sie in ihrem gewohnten Zuhause bleiben können.
                                                                           ©-Foto toni söll
Bei Ingeborg und Helmut Ramm in Chemnitz übernimmt der DRK-Pflegedienst Chemnitz regelmäßig Reinigungsarbeiten – zusätzlich zur Pflege, vom Entlastungsbetrag der Kasse. In Urlaubszeiten packt auch Chefin Claudia Liebing mit an. Die Ramms sind froh, dass sie in ihrem gewohnten Zuhause bleiben können.

Nachdem Altenpflegerin Angelika Leukert ihre Patientin geduscht hat, putzt sie in der Wohnung von Ingeborg Ramm. Möglich ist das durch den Entlastungsbetrag von 125 Euro im Monat, der seit Jahresanfang jedem Pflegebedürftigen zusteht, wenn er zu Hause versorgt wird“, erklärt Claudia Liebing, Leiterin des DRK Pflegedienstes Chemnitz. Vorher gab es das Geld nur auf Antrag, meist für Demenzkranke.

„Das Geld kann sehr vielseitig eingesetzt werden: für Hilfe beim Einkaufen, Putzen oder Essen zubereiten, aber auch für Botengänge, die Begleitung zum Kaffee-Treff, Spaziergänge und Spielenachmittage“, sagt Hannelore Strobel, Sprecherin der AOK Plus. „Voraussetzung ist, dass der Anbieter nach Landesrecht zugelassen ist. Familienangehörige des Pflegebedürftigen dürfen die Leistungen nicht abrechnen.“

Die 125 Euro werden allerdings nicht ausgezahlt. Wollen Pflegebedürftige eine Leistung in Anspruch nehmen, müssen sie diese zunächst selbst bezahlen und die Rechnung bei der Pflegekasse einreichen. Diese erstattet dann den Betrag.

Pflegedatenbank für Sachsen

Das Prozedere ist möglicherweise ein Grund dafür, warum viele das Geld verfallen lassen. Bei der AOK Plus nutzt Hannelore Strobel zufolge nur die Hälfte aller häuslich Pflegebedürftigen den Entlastungsbetrag. „Bei uns sind es sogar nur 37 Prozent“, sagt Katrin Lindner von der Techniker Krankenkasse. Lindner kann die Zurückhaltung nicht nachvollziehen, denn einer Umfrage zufolge sei die Leistung 80 Prozent der Versicherten bekannt.

Auch Familie Ramm schöpft die 125 Euro nicht in jedem Monat aus. Einmal pro Woche kommt der Pflegedienst zu ihnen. Das Küche- und Badputzen dauert etwa eine halbe Stunde und kostet beim DRK Chemnitz rund 13 Euro. Auf Wunsch wird auch in allen Räumen Staub gesaugt oder etwas eingekauft. Duschen gehört zu den Pflegeleistungen. Knapp 19 Euro rechnet Claudia Liebing dafür bei der Pflegekasse ab. Das macht für Ingeborg Ramm im Monat 76 Euro. Mehr Hilfe braucht sie derzeit noch nicht. Sie hat Pflegegrad 2. „Wenn mein Mann mal nicht mehr so mobil ist, werden wir das Angebot sicher nutzen“, sagt die 91-jährige Chemnitzerin.

Für nicht ausgeschöpfte Entlastungsbeträge gibt es noch eine weitere Option: „Man kann das Geld mit ins nächste Jahr nehmen. Bis 30. Juni ist er aber zu verbrauchen“, sagt Hannelore Strobel.

„Wer in Sachsen Anbieter für Entlastungsleistungen sucht, kann auf eine einzigartige Datenbank zugreifen“, sagt Annett Hofmann, Sprecherin des Sozialministeriums Sachsen. Unter www.pflegenetz.sachsen.de/pflegedatenbank wählt der Nutzer eine Leistungsart aus und gibt seinen Wohnort sowie den Umkreis an, aus dem der Anbieter kommen soll. Etwa 1500 Personen und Institutionen sind derzeit in Sachsen gelistet – vom Nachbarschaftshelfer bis zum Pflegedienst. Der nächstgelegene erscheint zuerst. Neben Name, Adresse und Telefonnummer erfährt der Nutzer auf einen Blick das Leistungsspektrum sowie den Stundensatz des Dienstleisters.

Hilfe im Haushalt ist die am häufigsten genutzte Entlastungsleistung in Sachsen und kostet zwischen 10 und 40 Euro pro Stunde. Welcher Preis verlangt wird, ist eine Frage der Qualifikation. Professionelle Pflegedienste verlangen höhere Sätze als Nachbarschaftshelfer.

„Nachbarschaftshelfer dürfen in Sachsen maximal 40 Stunden im Monat arbeiten und erhalten höchstens 10 Euro pro Stunde“, sagt Anne-Kathrin Richter vom Referat Pflege des Verbands der Ersatzkassen in Sachsen. Mit der Limitierung von Einsatzzeiten und Kosten wolle man sicherstellen, dass kein neues Gewerbe und keine Konkurrenz zu professionellen Hauswirtschaftsdienstleistern entsteht. Mehr als 1 000 Nachbarschaftshelfer gibt es bereits in Sachsen. Im letzten halben Jahr sind fast 200 neu hinzugekommen, denn der Bedarf an Betreuung wächst. „Wir haben auch weiterhin Interesse an Zuwachs“, sagt Anne-Kathrin Richter. Doch an der Bezahlung scheiden sich die Geister: Für einige wie Karina Thierbach aus Chemnitz ist der Lohn in Ordnung: „Es soll ja nur eine Aufwandsentschädigung sein. Eigentlich ist es ein Ehrenamt. Ich betrachte es als Zubrot zu meinem Job als Büroleiterin“, sagt sie. Andere wie Angelika Schlei aus Dresden bieten keine Haushaltshilfe mehr an: „Das rechnet sich nicht, da muss ich ja noch Geld mitbringen“, sagt sie.

Unterschied im Preis

Um die Zulassung als Nachbarschaftshelfer zu bekommen, müssen Interessenten ein Zertifikat über Grundkenntnisse in der Betreuung Pflegebedürftiger vorweisen. Dieser Kurs umfasst viermal 90 Minuten und wird von der Pflegekasse des potenziellen Helfers bezahlt. Pflegefachkräfte, Pflegeassistenten und Betreuungsassistenten brauchen diese Ausbildung nicht. Als Profis können sie ihre Stundensätze selbst kalkulieren und sind auch hinsichtlich der Einsatzzeiten nicht limitiert. Gudrun Mühlhaus aus Radebeul zum Beispiel leitet einen privaten Pflegedienst und hat zehn Angestellte. Ihr Stundensatz gehört mit rund 34 Euro in die obere Kategorie. Ihr Anspruch: Sie möchte die Pflegebedürftigen nicht nur bedienen, sondern ihre Selbstständigkeit fördern oder erhalten. „Deshalb beziehe ich sie in die Arbeiten mit ein, wenn sie körperlich und geistig dazu in der Lage sind. Wir bereiten zusammen das Essen zu oder gehen zusammen einkaufen“, sagt sie. Das dauere natürlich länger, als wenn sie alles alleine mache.

Der Unterschied zwischen Nachbarschaftshelfer und Pflegekraft liegt bei der Hausarbeit nur im Preis. Das Arbeitspensum ist bei allen Anbietern nahezu gleich. „In einer Stunde reinige ich in einer durchschnittlich großen Wohnung das Bad, wische Arbeitsflächen und Boden der Küche, sauge und wische in zwei weiteren Zimmern Staub, kann aber nicht sämtliche Deko-Gegenstände wegräumen“, sagt Claudia Liebing. Eine Grundreinigung sei aufwendiger und auch nicht Aufgabe eines Pflegedienstes. Dafür gibt es professionelle Hauswirtschaftsdienstleister.

„Der Entlastungsbetrag soll die Lebensqualität der Pflegebedürftigen erhöhen. Insofern gibt es keinen Grund, das Geld verfallen zu lassen.“ Die Kassen wollen ihre Mitglieder jetzt noch intensiver darüber informieren.

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