BEZAHLBARES WOHNEN sozialer Wohnungsbau

BEZAHLBARES WOHNEN – Deutschland bleibt hinter den Zielen zurück

 

BEZAHLBARES WOHNEN – Deutschland bleibt hinter den Zielen zurück

Von Christian Hunziker | | Lesedauer: 4 Minute
Bundesbauministerin Hendricks zieht eine positive Zwischenbilanz des Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen. Doch in Deutschland fehlen immer noch knapp eine Million Wohnungen.
Wohnungssuchende in deutschen Großstädten wissen aus eigener Erfahrung, wie dramatisch der Wohnungsmangel ist. Davon zeugen nicht nur lange Schlangen bei Besichtigungen, sondern auch die nackten Zahlen: Nach Berechnungen des Deutschen Mieterbundes fehlen mittlerweile bundesweit eine Million Wohnungen. „In den nächsten Jahren benötigen wir jedes Jahr mindestens 350.000 neue Wohnungen“, sagt deshalb Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) – doch 2016 wurden trotz einer deutlichen Steigerung lediglich knapp 278.000 Wohnungen fertiggestellt.

Dass der Wohnungsbau endlich richtig auf Touren kommt, ist das wichtigste Ziel des Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen, das die Bundesregierung 2014 mit Verbänden der Wohnungs- und Bauwirtschaft, kommunalen Spitzenverbänden und anderen gesellschaftlichen Akteuren auf den Weg gebracht hat. 2016 beschloss das Bundeskabinett auf der Grundlage von Empfehlungen des Bündnisses eine Wohnungsbauoffensive.

Jetzt hat die Ministerin ein verhalten positives Zwischenfazit gezogen. „Wir haben eine Trendumkehr auf dem Wohnungsmarkt geschafft“, sagte Hendricks mit Blick auf die etwa eine Million Wohnungen, die in dieser Legislaturperiode errichtet worden sind. „Aber wir sind noch nicht da angelangt, wo wir sein möchten.“

Mietwohnungen stärker fördern

Was schon geschafft worden ist und was noch angepackt werden muss, hat im Auftrag des Ministeriums ein zehnköpfiges Expertengremium unter Leitung von Michael Sachs untersucht. Sachs war als Staatsrat in Hamburg zwischen 2011 und 2015 maßgeblich an der dortigen Wohnungsbauoffensive beteiligt. Sein Fazit über die bisherige Umsetzung der Bündnisempfehlungen fällt zwiespältig aus: „Es ist viel in Gang gesetzt worden. Es ist aber noch sehr viel zu tun.“

Besonders wichtig ist es nach Ansicht von Sachs, den Neubau von Mietwohnungen stärker zu fördern – entweder durch höhere steuerliche Abschreibungen oder durch eine Investitionszulage. Ein erster Versuch für eine befristete Sonderabschreibung für den Bau von Mietwohnungen im unteren und mittleren Preissegment scheiterte vor fast genau einem Jahr, weil sich Union und SPD nicht auf die Details einigen konnten. Ministerin Hendricks zeigt sich offen für einen neuen Anlauf. Allerdings sei es wichtig, dafür den richtigen Zeitpunkt zu treffen. In der jetzigen Phase mit äußerst niedrigen Zinsen und einer bestens laufenden Konjunktur sei eine solche Sonderförderung nicht angebracht.

Einigkeit zwischen Ministerium und unabhängigen Experten herrscht darin, dass der Bund auch nach 2019 den Bau von Sozialwohnungen finanziell unterstützen soll. Dafür ist allerdings eine Grundgesetzänderung nötig, da seit der Föderalismusreform von 2006 die Zuständigkeit für den sozialen Wohnungsbau bei den Bundesländern liegt. Dass der Bund die entsprechenden Mittel auf jährlich 1,5 Milliarden Euro aufgestockt hat, wertet Michael Sachs als einen der größten wohnungspolitischen Erfolge der zu Ende gehenden Legislaturperiode.

Dennoch wurden 2016 bundesweit nur 25.000 Sozialwohnungen errichtet und nicht 80.000, wie sie Hendricks für erforderlich hält. „Die Länder müssen beim sozialen Wohnungsbau noch eine Schippe draufpacken“, fordert die Ministerin deshalb. Insbesondere müssten sie die vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel tatsächlich für den Neubau von mietgebundenen Wohnungen und nicht für andere Zwecke verwenden.

Billige Abgabe von Grundstücken für sozialen Wohnungsbau

Handlungsbedarf sieht Experte Sachs zudem bei der Vergabe von bundeseigenen Grundstücken. Immer wieder kritisieren Kommunen, die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) vergebe bundeseigene Grundstücke nach wie vor meistbietend an private Investoren, statt sie zu günstigen Preisen für den Bau bezahlbarer Wohnungen zur Verfügung zu stellen.

 

Zwar darf die Bima unter bestimmten Voraussetzungen Liegenschaften auch zu vergünstigten Konditionen abgeben. Laut dem Bericht des Expertengremiums wurden bis März dieses Jahres jedoch lediglich sieben Kaufverträge abgeschlossen, bei denen bundeseigene Grundstücke verbilligt abgegeben wurden mit der Vorgabe, darauf Sozialwohnungen zu errichten.

Genau hier müsse angesetzt werden, fordert Ulrich Maly, Vizepräsident des Deutschen Städtetages und Oberbürgermeister der Stadt Nürnberg: „Die verbilligte Abgabe von bundeseigenen Grundstücken an Kommunen für sozialen Wohnungsbau muss praktikabler gestaltet und auch für eine zweckgebundene Weiterveräußerung an private Investoren geöffnet werden.“ Zudem spricht sich Maly dafür aus, breiten Schichten der Bevölkerung den Erwerb eines Hauses oder einer Eigentumswohnung zu erleichtern – zum Beispiel durch einen Zuschuss zum Eigenkapital oder durch ein Baukindergeld. Ein solches Baukindergeld befürwortet auch die Union in ihrem Programm für die Bundestagswahl.

Interessenvertreter beurteilen den bisherigen Umgang mit den Empfehlungen des Bündnisses zwiespältig. So kritisiert beispielsweise Andreas Mattner, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland, viele Vorschläge des Bündnisses seien noch nicht umgesetzt worden. Auch Franz-Georg Rips, der Präsident des Deutschen Mieterbundes, verlangt, die Ideen des Bündnisses müssten jetzt „von der Politik in Bund, Ländern und Kommunen umgesetzt werden“.

Und Ulrich Maly vom Deutschen Städtetag spricht sich dafür aus, „dauerhaft eine vorausschauende Wohnungspolitik auf allen staatlichen Ebenen zu gewährleisten“. Denn trotz der bisher erreichten Fortschritte, so Maly, „konnte die Spirale der steigenden Mieten in den nachgefragten Städten kurzfristig nicht gestoppt werden“.

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