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Im Interview – Cartoonist Phil Hubbe

München sz Der 50-jährige Zeichner macht sich seit 2004 ungeniert über Behinderte lustig und hat eben seinen sechsten Cartoon-Band veröffentlicht. „Die Betroffenen haben kein Problem damit“, sagt der gebürtige Magdeburger.

Kein Rollifahrer weit und breit. Und nun? Phil Hubbe kennt die verzweifelten Blicke und steht lieber gleich auf. „Suchen Sie mich?“. Seit mehr als 30 Jahren hat er Multiple Sklerose, doch trotz der Krankheit ist Hubbe ziemlich gut unterwegs – im doppelten Sinne des Wortes. Ob man Witze über Behinderte machen darf? „Logisch, schon der Gleichberechtigung wegen“, meint er im Gespräch mit Christa Sigg. Eben sind mit „Mein letztes Selfie“ wieder neue Comics erschienen.

Herr Hubbe, wer lacht bei Ihren Buchvorstellungen am lautesten?

Die Betroffenen. Die anderen haben eher Probleme damit.

Die trauen sich wahrscheinlich nicht so recht.

Sicher. Bei vielen ist das aber auch ein bisschen Heuchelei, denn wenn die Leute nicht beobachtet werden, lachen sie. Denken Sie an den Kinofilm „Ziemlich beste Freunde“, da lachen die Leute von Anfang an laut los. Doch da sitzen sie eben im Dunkeln und fühlen sich sicher.

Wer stört sich an Ihren Comics?

Menschen, die meinen, sie müssten sich schützend vor die Behinderten stellen, natürlich auch im Sinne einer „political correctness“. Aber die Betroffenen haben damit kein Problem. Beschweren tun sich vor allem die, die keinen Kontakt zu Behinderten haben und oft gar nicht wissen, wie es denen geht.

Aber mal ehrlich, Sie „dürfen“ diese Comics zeichnen, weil Sie Multiple Sklerose haben. Als Gesunder hätten Sie mit Sicherheit Probleme.

Für mich ist nicht wichtig, wer die Witze macht, entscheidend ist, ob sie gut sind. Ich muss aber zugeben, dass ich mich nicht an das Thema wagen würde, wenn ich nicht selbst betroffen wäre. Man sollte sich schon im Klaren sein, was man da zeichnet. Und ohne meine Krankheit hätte ich auch nicht den Kontakt zu Behinderten. Es gibt aber auch viele Betroffene, die sagen, du darfst das.

Weil Sie dazu gehören.

Ja, und weil ich nicht über, sondern mit den Leuten lache. Dabei sieht man mir die Behinderung gar nicht an. Das ist auch nicht entscheidend. Ich habe eine chronische Krankheit und weiß, wovon ich zeichne. Ich war ja selbst am Anfang vorsichtig.

Inwiefern?

Meine ersten Rollstuhlwitze habe ich Rollstuhlfahrern gezeigt. Die reagierten begeistert und haben gleich noch weitere Ideen beigesteuert. Das hilft natürlich.

Lachen hat etwas Befreiendes, geht Ihnen das mit Ihren Comics auch so?

Cartoons habe ich ja schon seit 1992 gezeichnet. Aber erst durch John Callahan, der für den „New Yorker“ arbeitet, kam ich vor fast 20 Jahren auf die Idee, Comics über Behinderte zu machen. Wahrscheinlich ist diese Arbeit schon auch eine gewisse Therapie für mich, das will ich gar nicht abstreiten. Dabei habe ich aber auch mein Hobby zum Beruf gemacht. Was Schöneres gibt es doch nicht. Im Vergleich zu vielen anderen Behinderten geht es mir prima: Ich habe einen Job und damit eine Aufgabe.

Wo sind Grenzen?

Eine feste Grenze gibt es bei mir nicht. Tendenziell werde ich eher schwärzer. Tabu sind für mich Dinge, über die ich nicht Bescheid weiß. Und wenn hinter Krankheiten oder Behinderungen der Tod steht, bin ich auch sehr vorsichtig. Krebs zum Beispiel. Auch psychische Krankheiten sind heikel, doch selbst da wurde ich aufgefordert, etwas zu zeichnen. Das ging dann gleich mit großem Hallo in der Selbsthilfegruppe von stark depressiven Menschen herum.

Und geistige Behinderungen?

Schwierig, denn ich möchte ja, dass die Betroffenen es verstehen. Es gibt aber Witze, die auch da funktionieren.

War es nicht schwer, einen Verlag zu finden?

Es ließ sich sogar ziemlich zäh an. Erst nach fast zwei Jahren kam eine Reaktion aus dem Lappan Verlag. Dessen Verleger war übrigens der Einzige, der meine Comics rausbringen wollte. Der Vertriebschef meinte, das wird nichts. Wir haben’s trotzdem versucht. Dann reagierten die großen Medien sehr positiv, und bald war die erste Auflage verkauft.

Hat Sie das selbst überrascht?

Ja und nein. Letztlich gibt es doch eine riesige Zielgruppe, bald jeder Zehnte hat einen Schwerbehindertenausweis. Tendenz steigend. Inzwischen kommen sogar Beschwerden von Behinderten.

Wie?

Ja, weil sie noch nicht dran waren. Kürzlich wurde ich aufgefordert, etwas über Borderliner zu machen.

Da steht noch einiges an.

Die Schuppenflechte war auch noch nicht dran … Ich bin ja offen, und mit den richtigen Informationen kann ich das dann schon hinkriegen. Daran sieht man übrigens, wie wichtig für die Leute der Humor ist.

Können Sie von Ihrer Arbeit leben?

Wenn ich alles zusammen nehme, ja. Ich muss haushalten mit dieser Krankheit, aber so lange es irgendwie geht, mache ich weiter.

Phil Hubbe: Mein letztes Selfie. Behinderte Cartoons 6, 80 Seiten, Lappan Verlag, 9,99 Euro.

Außerdem gibt es Postkarten und jedes Jahr einen neuen „Handicaps“-Kalender, 13,99 Euro.

 

Weitere Details unter:

www.hubbe-cartoons.de

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